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Was sind eigentlich Märchen?
Warum besonders für Erwachsene?

Märchen, so meinen viele, sind phantasievoll-unrealistische oder heimelige, manchmal auch seltsam grausame Geschichten für Kinder oder Menschen mit kindlichem Gemüt, Geschichten von einer heilen Welt – zu schön, um wahr zu sein.

An dieser weit verbreiteten Einschätzung ist fast nichts richtig. Echte Volkmärchen erzählen vom Leben mit all seinen Erfahrungen und Gefahren – freilich auch von den Gefährten, die uns begleiten, und vom Glück hinter allem Grauen. Märchen führen uns an ein gutes Ende, aber meist von einem bösen Anfang und fast immer auf schweren Wegen. Die Märchen führen uns durch Menschen-Ängste, sie sind eine Schule gegen die Lebensangst.

Auch wurden Märchen ursprünglich und heute noch im Orient nicht erzählt für Kinder, wenn auch ihre Bildersprache so einfach scheint und so eingängig ist, dass selbst Kinder ihnen schon etwas abgewinnen können. Sie sind sparsam und doch kunstvoll ausgestaltet, dass wir die Andeutungen im Kopf ergänzen müssen.

Märchen sind in langen Zeiten verdichtete Lebenserfahrungen. Aber wie unterschiedlich erfahren wir das Leben! Was Leben bedeutet, das können wir nicht eindeutig definieren, nicht eingrenzen.

In den sinn-bildlichen Gestalten der Märchen nehmen Haltungen Gestalt an. Und so sind die Märchen so etwas wie eine Stimmgabel, die uns einen Ton vorgibt, mit dem wir uns einstimmen können auf ein Leben, das stimmt.

(Auszug aus: Märchen im Hospiz von Heinrich Dickerhoff)